Transcreation braucht Mut


Nicht gelungene Transcreation als Sinnbild: Ein Burger mit Baguette-Deckel auf Spaghetti. Soll alle zufrieden machen, schmeckt aber letztlich niemandem. Bild mit KI erstellt (Bria.ai)

Transcreation ist die schwer greifbare Hybrid-Disziplin aus der Welt der Übersetzung und der Welt des Marketing. Das Besondere an Transcreation ist, dass sie Mut erfordert – denn ohne Mut kommt Wischi-Waschi-Marketing-Copy heraus, die die Erwartungen nicht erfüllt.

Das Bild soll das verdeutlichen: Du hast eine Kampagne aus den USA (= Hamburger) und willst sie Franzosen und Italienern schmackhaft machen?

Dann mache daraus einfach ein Monstergericht aus Burger, Baguette und Spaghetti.

Natürlich nicht.

Die meisten Leute werden das fies finden, weswegen eine Anpassung an lokale Vorlieben erforderlich ist. Das Konzept “Fast Food” wäre, übertragen auf Frankreich, durchaus auch der Burger, vielleicht aber auch “Jambon-Beurre”, das klassische Mittagspausen-“Sandwich”-Baguette, und für Italien vielleicht Arancini. Bevor jetzt aber der Hunger übermächtig wird, mein Magen knurrt schon, befassen wir uns wieder mit Transcreation.

Ich mache übrigens seit vielen Jahren ab und an Transcreation, und zwar als freier Texter – meist für internationale Marken, die Adaptionen ihrer Werbung für den deutschen / österreichischen / deutschschweizer Markt brauchen.

Über den Autor

Stefan Golling, Köln. Seit 2011 Freelance Creative Director, freier Texter, Creative Consultant und Online-Marketing-Berater mit Kunden von Mittelstand bis S&P 500. Erfahrung: 1998 mit Radiowerbung in Stuttgart gestartet, 2000 als Junior-Werbetexter zu Publicis München, 2001 Counterpart Köln, 2002 als Copywriter zu Red Cell Düsseldorf (heißt heute Scholz & Friends), dort ab 2007 Creative Director.

Inhalt

Was ist Transcreation?

Transcreation ist ein zusammengesetztes Wort aus “Translation”, also Übersetzung, und “Creation”, also Kreation – im Sinne von Werbung.

Damit bedeutet Transcreation in etwa so viel wie “Kreative Übersetzung von Werbung, und zwar so, dass die Zielgruppe auch in einer anderen Sprache perfekt angesprochen wird.”

Der Großteil der Transcreation besteht aus Sprache, aber auch Bilder und Videos werden transcreated.

Bei der Transcreation wird im Gegensatz zur Übersetzung der Inhalt nicht 1:1 übertragen, sondern für die Zielgruppen lokalisiert. Deshalb sind hier Marketing- und Werbekenntnisse erforderlich, vor allem auch Erfahrung mit lokaler Werbesprache.

Transcreation braucht man teils auch für Märkte mit der gleichen Sprache. Eine deutsche Kampagne könnte Anpassungsarbeit benötigen, wenn sie in Österreich oder der Schweiz laufen soll.

Auch binnenländische Lokalisierung ist ein Thema: Angenommen, du würdest eine Kampagne aus Berlin für Köln adaptieren und das Wort “Späti” beibehalten. Mach’s nicht. In Köln sagt man “Büdchen” oder auch Kiosk. Wenn man nur ein Asset ausspielen kann, wäre man mit “Kiosk” in allen Regionen gut verständlich. Ausnahme: Du willst “berlin-ness” kommunizieren, dann bleib bei Späti. Du siehst: Manchmal gilt das Gegenteil des Naheliegenden.

Transcreation vs. Translation: Beispiel

Sehen wir uns ein schönes professionelles Transcreation-Beispiel für eine Headline an, von der Website des Zahlungsdienstleister wero. Das Beispiel steht hier natürlich nicht zufällig. Hätte man automatische (KI-)Übersetzungstools an den Job drangesetzt, wären – wie man hier sieht – die Ergebnisse nicht besonders prickelnd geworden.

Englisch, MasterDeutsch, TranscreationDeutsch, DeepLAnthropic Claude 3 Opus (gepromptet auf Duzen)
Move money in real time. For real.In Echtzeit Geld senden und empfangen. Echt jetzt.Bewegen Sie Geld in Echtzeit. In echt.Beweg dein Geld in Echtzeit. Wirklich in echt.

Das sind die Auffälligkeiten:

  • Im Englischen gibt es die Formulierung “Geld bewegen”. Im Deutschen nicht, also nicht im normalen Sprachgebrauch für Zielgruppen ab Teenager aufwärts.
  • Den Übersetzungstools ist das egal: Die übersetzen einfach, aber die verstehen weder Produkt noch Zielgruppe. Deswegen schreiben die: Bewege Geld in Echtzeit. In echt.
  • Das versteht man nicht so richtig gut.
  • Das Problem “Duzen oder Siezen” taucht auch noch auf.
  • DeepL ist übrigens out of the box ein wenig unterwältigend. Claude 3 Opus ist sprachlich fitter. Your mileage may vary.
  • Was machte hier also der Transcreation-Experte, nämlich ein Copywriter:
    • Er umschreibt das Produkt. Mit wero kannst du nämlich Geld senden und empfangen, und das kann man durchaus hinschreiben – wenn, wie hier, genug Platz für mehr Text ist.
    • Er nimmt die popkulturelle Anspielung “for real” auf. Fo’ real ist nämlich Umgangssprache, und dafür muss man im Deutschen eine Entsprechung finden. Man hätte “For real” lassen können, aber dann klappt das Zusammenspiel von “Real time / for real” -> “In Echtzeit / for real” nicht mehr. Lösung: Die umgangssprachliche Floskel “Echt jetzt.” Klingt natürlich etwas schnodderig.
  • Und was lernen wir daraus?
    • Übersetzungen können gleichzeitig korrekt und unverständlich sein.
    • Wenn du willst, dass deine Botschaften bei deinen Zielgruppen ankommen, brauchst du Transcreation vom Profi.
    • Gute Transcreation erfordert Mut, auch auf Auftraggeberseite.

Transcreation und Translation: Unterschiede

TranslationTranscreation
InhaltExakte Wiedergabe des OriginaltextesTransfer der Kommunikation in eine andere Sprache
FormSatzstrukturen bleiben oft erhalten, zulasten der Lesbarkeit.Satzstrukturen können aufgelöst werden, zugunsten flüssiger Sprache.
VokabularOft Fachvokabular erforderlich Oft Vokabular der Marke erforderlich
ToolsArbeit mit CAT-ToolsCAT-Tool-Einsatz oft schwierig

Transcreation braucht Versionen und Backtranslations

In der Welt der High-Level-Transcreations wollen die Auftraggeber zurecht verstehen, welche Werbebotschaften da jetzt transkreirt wurden. Wenn du für ein paar Millionen Euro TV-Spots schaltest, willst du wissen, was da auf bspw. Deutsch steht.

Die Lösung: Backtranslations. Eine Backtranslation ist eine Rückübersetzung des transkreierten Textes in die Master-Sprache. Diese Rückübersetzung darf absichtlich “schlecht” sein: Ich mache es so, dass der Inhalt der deutschen Sprachversion bestmöglich wiedergegeben wird, damit man als Nicht-Deutsch-Sprecher den Text genau versteht.

Da kommt auch schon das nächste Thema aufs Tapet: Was ist, wenn der Marketingabteilung die Transcreation nicht gefällt?

Dann muss man vorher mehr liefern, zum Beispiel zwei oder drei Vorschläge für die Transcreation (inkl. Backtranslation). Dann kann man als Copywriter eine Bandbreite an Vorschlägen erarbeiten – im Idealfall inklusive Begründung für den kreativen Ansatz.

Diese Transcreation-Disziplinen gibt es:

  • TV-Spots / Bewegtbild: Hier geht es um die Transcreation von Dialogen, Voice Overs und Texteinblendungen. Die Herausforderungen sind gewaltig.
    • Dialoge sind eine Kunst für sich, denn da muss die Übersetzung erstens die passenden Werbebotschaften übermitteln, und zweitens muss der Text zu den Lippenbewegungen passen, also Lipsynch sein. Ob’s funktioniert prüfe ich mit Test-Sprachaufnahmen. Wenn’s passt, wird auch die Dialogregie funktionieren.
      KI-Ausblick: Mit KI kann man Videos lipsynch auf Texte anpassen. Das ist nice, aber trotzdem darf der Text nicht zu lang werden. Wenn das Video max. 10 Sekunden lang sein darf, muss man sich dran halten.
    • Voice Over, speziell Botschaften zum Spot-Abschluss, müssen vor allem kurz sein. In englischen TV-Spots gibt es oft wenig Zeit. Da braucht man dann sprachliches Feingefühl, um Botschaften wirklich kurz und knapp zu formulieren.
  • Ads, Banner, Anzeigen: Meistens geht es um die Transcreation von Englisch ins Deutsche. Englisch ist oft sehr platzsparend, und die Layouts bieten entsprechend wenig Platz für mehr Text. Also muss man u.a. im Deutschen manchmal um die Ecke denken.
  • Social Media: Wenn man nur 90 Zeichen Platz hat, hat man nur 90 Zeichen Platz. Klar, ich kann auch dem KI-Übersetzungsbot eine Zeichenhöchstzahl verordnen, aber er setzt nicht immer die richtigen Schwerpunkte
  • Content: Wenn du Landingpages, Blogartikel, Pressemitteilungen o.ä. für andere Märkte brauchst, muss man sich die Märkte genau ansehen. Wettbewerbs- und Keyword-Recherchen sind Pflicht, teils kommen auch rechtliche / regulatorische Fragestellungen dazu.

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